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Aus der Traum.

Aus der Traum – das wäre wohl die kürzeste Zusammenfassung der Karwoche.
Aus der Traum mit diesem Jesus – nach dem triumphalen Einzug in Jerusalem.
Aus der Traum – nach dem letzten Abendmahl.
Aus der Traum – es wäre auch zu schön gewesen; dafür: Todesangst, Verrat, Verhaftung und der Prozess.
Aus der Traum – das Urteil ist schnell gefällt: Tod durch Kreuzigung, das endgültige Aus.
Aus der Traum – ein letzter Aufschrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, das war’s dann.
Aus der Traum – hat es sich wieder einmal bewahrheitet, was der Volksmund sagt: Träume sind Schäume.

Meine lieben Mitchristen!

Aus der Traum – das wird auch den beiden Frauen auf dem Weg zum Grab in den frühen Morgenstunden des ersten Wochentages durch den Kopf gegangen sein. Sie wollen noch einmal nach dem Grab sehen. In Ruhe Abschied nehmen von Jesus, auf den sie ihre Hoffnung gesetzt haben. Abschied nehmen von dem, mit dem sie von einer besseren Welt geträumt haben, vom Reich Gottes, wie er diese bessere Welt öf­ters genannt hat. Sie wollen Abschied nehmen von ihren Träumen und von dem, der Grund ihrer Träume war und dann doch ihre Träume zerplatzen ließ, zerplatzen wie Seifenblasen. Es wäre auch zu schön ge­wesen, wenn der Traum von einer besseren Welt, dem Reich Gottes, Wirklichkeit geworden wäre.

Und dann, mitten hinein in ihre zerplatzten Träume und Hoffnungen ge­schieht etwas, was sie umhaut. Bei den Wächtern am Grab ist das sogar im wahrsten Sinne des Wortes der Fall: sie zittern vor Angst und fallen wie Tod zu Boden, wie wir gerade im Evangelium gehört haben.

Was die beiden Frauen in ihren kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt haben, wird zur Wirklichkeit. Der Tote ist nicht mehr da - mehr noch, er lebt, so lautet die Botschaft der Engel, die in den biblischen Erzählungen immer die direkten Boten Gottes sind. Jetzt brauchen sie nicht mehr ihren verlorenen Träumen nachzutrauern. Die Wirklichkeit hat sie eingeholt – mehr noch: die Wirklichkeit hat sie überholt. Die Botschaft ist für sie klar: die Botschaft des Engels und das leere Grab sind für sie Beweis genug.

Und sie bekommen gleich den Auftrag, die Botschaft weiter zu sagen an die Jünger Jesu. In Galiläa, so lautet die Botschaft, werden sie Jesus sehen. Das bedeutet: sie werden Jesus nur dort finden, ihm nur dort begegnen, wo ihr Alltag stattfindet. Da, wo ihr euer Leben lebt, wo euch die Mühsal des Alltags plagt, dort begegnet ihr dem auferstande­nen Herrn, das gilt auch für uns heute.

Und was sie sich im Traum nicht vorstellen können geschieht: Auf dem Weg begegnen sie Jesus selbst. Da wächst neue Hoffnung, der Traum vom Reich Gottes – vielleicht doch mehr als nur ein Traum. Und wieder der Auftrag: „Sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, dort werden sie mich sehen.“ Wieder die Aufforderung und diesmal direkt von Je­sus: geht hinein in euren Alltag, denn nur dort, wo euer Leben stattfindet, werdet ihr mich finden - dort werden eure Träume wahr.

Ostern will uns Mut machen, unsere Träume von einer besseren Welt nicht aufzugeben sondern auferstehen zu lassen. Ostern will uns Mut machen, am Traum von einer besseren Welt, am Traum vom Reich Gottes mitzuwirken. Ostern fordert uns alle auf: geht nach Galiläa, das bedeutet geht hinein in euren Alltag, denn dort, nur dort, werdet ihr mich finden.

Ich wünsche uns allen in unserem Alltag viele solche Jesusbegegnungen!

© Diakon Wolfgang Schwaab

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